Atlantik Teil II: Azoren

Nach drei Wochen auf unserem Katamaran Madrigal V sehen wir am Morgen des 22. Tages Land zu unserer Linken. Der Himmel ist grau, eine dicke Wolkenschicht liegt über der Insel Faial, aber das sei oft so bei den Azoren sagt uns Aritz. Ich freue mich schon so sehr auf den Landgang.
Die letzten Wochen habe ich viel mit Schlafen verbracht – der ständige Seegang saugt mir geradezu die Energie aus dem Leib. Unter anderen Umständen würde mir die wenige Bewegungsfreiheit die hier auf dem Boot herrscht etwas ausmachen, vor allem nach so langer Zeit, aber nun verbringe ich die meisten Tage mit lesen und schlafen. Chris und ich helfen bei Segelmanövern mit so gut wir können, ansonsten wechseln wir uns ab mit kochen und spielen zusammen hier und da Brettspiele. Am Abend gibts den obligatorischen Film – immer gut für denjenigen, der die erste Wache hat, weil die dann besonders schnell um ist. Die Stimmung untereinander ist sehr gut. Wir kannten uns zwar alle nicht, aber vom ersten Tag an sind wir sozusagen auf einer Wellenlänge und finden viele Gelegenheiten um miteinander zu lachen und zu scherzen.

In Faial angekommen werden wir von einem Schlauchboot abgeholt, das uns an Land bringt, denn wir müssen alle erst einen Covid-Test machen bevor wir an Land gehen dürfen. Nachdem wir vergebens bis zum Abend auf die Ergebnisse unserer Tests warten, entscheiden wir auch ohne Resultat an Land zu gehen. Ich bin etwas angespannt, da ich kein gesteigertes Verlangen habe mit den Behörden in Konflikt zu kommen, aber in unserem Fall sind nun einfach mal die Regeln verkehrt – wie sollten wir nach 22 Tagen auf See Covid haben?
Außerdem stehen die Wetterprognosen so, dass wir morgen schon weiterfahren müssen um gute Winde an der Küste von Portugal und für die Straße von Gibraltar abzupassen, somit ist das hier unser einziger Abend an Land und den will sich keiner entgehen lassen.

Und sobald wir mit dem Schlauchboot an Land kommen, schert sich niemand um die vier Gestalten die sich da gerade so freuen festen Boden unter ihren Füßen zu spüren. Es fühlt sich so unsagbar gut an mehr als ein paar Schritte laufen zu können (auch wenn wir das am nächsten Tag in unseren nicht mehr vorhandenen Muskeln spüren). Es ist das erste Mal seit fast vier Jahren, dass Chris und ich europäischen Boden berühren und es fühlt sich seltsam aufregend an wieder Euroscheine in den Händen zu halten. Den Kreis den wir um die Erde gezogen haben schließt sich allmählich.
Wir verbringen die ersten Stunden unseres Landganges damit, durch Hortas enge Straßen und Gassen zu schlender. Es reihen sich kleine Häuschen dicht aneinander, von einigen blättert bereits Farbe ab, denn die besten Tage liegen hinter ihnen. Es sieht hier so anders aus als in Nordamerika, zum Beispiel sehen die hier fahrenden Autos gegen einen nordamerikanischen Pick-Up Truck aus wie Spielzeugautos, davon abgesehen dass der Truck nicht durch die kleinen Straßen passen würde.
Die Leute denen wir begegnen sind alle offen und freundlich, kaum jemand trägt hier eine Maske – jeder der auf die Insel kommt muss ja schließlich einen negativen Covid-Test vorweisen. Die Stimmung ist ausgelassen an diesem warmen Maiabend, die Hügel satt grün, alles steht in Blüte und es riecht nach Urlaub am Meer. Nachdem wir den Pier entlang geschlendert sind, auf dem sich Generationen von Seglern mit individuellen Malereien von ihren Abendteuern auf See, sowie Boots- und Crewnamen verewigt haben, kehren wir in „Peters Sport Cafe“ ein – eine Bar die seit 102 Jahren ein Treffpunkt für Segler aus aller Herren Länder ist. Ein richtiges Stück Geschichte. Wir lassen es uns gut gehen mit lokalem Käse und Brot als Vorspeise und veggi-Burgern und Steak als Hauptgang. Gegen Mitternacht ist es an der Zeit zurück zu unserem Boot zu paddeln, denn Morgen früh geht es gleich weiter. Nachdem wir morgens dann endlich unsere negativen Testergebnisse erhalten und ganz offiziell in Portugal eingereist sind, teilen wir uns auf um Lebensmitteln einzukaufen, Wäsche zuwaschen sowie die Wasser- und Dieseltanks zu füllen. Gegen Mittag wird Faial am Horizont schon immer kleiner, bis es dann ganz verschwindet.
Ich muss sagen, ich könnte mich wirklich daran gewöhnen, dass sich der Boden nicht konstant unter mir bewegt. Aber der kurze Aufenthalt an Land gibt mir neue Energie für die letzte Etappe, die letzten 10 Tage halt ich jetzt auch noch durch!

[…] ~2400 nautical miles down and ~1200 to go

-Mark

– Johanna

Die Atlantik Serie:
Atlantik Teil I: Die ersten Wochen
Atlantik Teil II: Azoren
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