N-M Teil I: Die erste Woche

Das letzte Puzzelteil um das Band um die nördliche Hemisphäre zu schließen. Wir wandern 1400 km vom Mittelmeer nach München, zurück dorthin wo alles begann.

Teil I: von Nizza (0 km) bis Auron (~110 km)

Hochmotiviert und gut genährt starteten wir letzte Woche, am 11.07.2021, von Nizza aus unsere Wanderung nach Hause. Nachdem wir kurz noch die Füße ins Meer getaucht haben, geht es los. Einmal quer durch die Stadt und ab in die Berge.

Eher untrainiert und blauäugig wie wir diese Wanderung angefangen haben, malten wir uns aus pro Tag maximal 10 km zu schaffen, zumindest für die ersten paar Wochen. Umso erstaunter waren wir als wir bereits am zweiten Tag 17 km liefen und vor ein paar Tagen sogar 21 km mit 1800 Höhenmetern (Hm). Um die knapp 1400 km bis nach München vor dem Wintereinbruch zu schaffen, sollten wir an 6 Tagen die Woche über 20 km am Tag schaffen.

Ein paar Worte zu unserem Tagesablauf. Unser Tag beginnt normalerweise gegen 7 Uhr mit Atemübungen um den Körper wach zu bekommen. Um 8 Uhr ist bereits alles zusammen gepackt und wir laufen los. Nach 3-4 Stunden gibt es Frühstück, meist Baguette mit Käse oder Butter, wahlweise auch Grießbrei. Wir laufen dann bis 17 Uhr weiter und machen hier und da kleine Pausen wo es uns gefällt. Gegen 19 Uhr gibt es Abendessen, meist Reis mit Gemüse oder andere Kohlenhydraten. Es ist immer reichlich und nie bleibt etwas übrig. Im Englischen gibt es dazu den Begriff „hiker hunger“, ein Ausdruck für den unstillbare Appetit eines Wanderers. Um 22 Uhr gehen wir ins Bett. Bislang haben wir nur im Zelt geschlafen, was überall problemlos ging.

Genug Zahlen und Fakten. Die Wanderung ist bislang einfach großartig, jede Ecke ist anders, die Landschaften und Aussichten sind spektakulär, das Laufen macht viel Spaß. Es könnte nicht besser sein.

Anfangs säumen noch Ginsterbüsche den Weg, es ist eher sandig und staubig und dazu noch brütend heiß. So heiß dass ich ganze 7l Wasser am ersten Tag trinke und gefühlt alles direkt wieder ausschwitze.

Am dritten Tag kommen wir durch das Dörfchen Utelle, wo wir nach einem  strapaziösen Aufstieg eine lange Pause auf einer Parkbank machen. Als wir dann zwei Tage später in einer Boulangerie (Bäckerei) unser Baguette bezahlen wollen, ist der Geldbeutel einfach weg, hoffnungslos durchsuchen wir noch alle Taschen im Rucksack bis es uns dämmert – der Geldbeutel liegt wahrscheinlich noch immer unter der Parkbank. Also fahren wir eine Stunde mit dem Bus zurück nach Utelle.

Auf dem Weg dorthin kommen wir durch ein Gebiet das im Oktober 2020 von sinnflutartigen Regenfällen geflutet wurde. Der Gebirgsbach schwoll an und riss Häuser, Brücken und alles andere mit sich ins Tal. Natürlich hat man sowas schon mal in den Nachrichten gesehen, gerade aktuell die Flut in Nordrhein-Westfalen, aber es mit eigenen Augen zu sehen wie Container oder Autos zusammengefaltet wie ein Stück Pappkarton im Flussbett liegen, da wird einem schon anders.

Zurück in Utelle schauen wir gleich unter die Bank, aber dort liegt kein Geldbeutel mehr.
Wir fragen bei der Herberge nebenan nach und der Herbergsvater hört sich um und fängt an zu telefonieren. Nach 5 Minuten kommt er mit einem Telefon in jeder Hand raus und sagt: „you’re lucky!“, die Tür des Nachbars geht auf und ein Junge streckt Johanna den Geldbeutel entgegen. Kreditkarte und 200€ in bar, alles noch da. Erleichtert und glücklich entscheiden wir uns dazu den angebrochenen Tag zu nutzen und wieder zurück nach Nizza zu fahren um dort neue Schuhe für mich und eine Trinkblase für Johanna zu besorgen. Mit meinen alten Schuhen bin ich bereits in Kanada viel gelaufen, nun ist die Sohle so dünn, dass sich Steine einfach durchdrücken, ich habe gehofft sie halten wenigstens noch bis in die Schweiz … naja.

Gestern bin ich bei einem 1000 Hm Abstieg bei der Hälfte der Strecke umgeknickt. Und weils so schön war, gleich noch ein zweites mal 5 Minuten später. Den restlichen Abstieg  schleppe ich mich dann so dahin, die Schmerzen halten sich in Grenzen bis zum Abend, wo selbst der Weg zum Zähneputzen eine Tortur ist. Nach einem erholsamen Schlaf ging es dem Knöchel schon wesentlich besser, trotzdem haben wir heute einen Pausetag eingelegt wo ich auch endlich Zeit (und Strom) gefunden habe diesen Artikel zu schreiben.

Soviel von uns und den ersten Eindrücken.

Liebe Grüße aus Auron

– Chris