Anfangs sagten wir, wir würden 1-2 Jahre unterwegs sein, aber eigentlich schwebte uns ein offenes Ende vor. Irgendetwas muss man aber ja sagen. So sind es heute zwei Jahre, 730 Tage von der trauten Heimat entfernt und 59200 km haben wir bisher zurück gelegt, die Flüge nicht mitinbegriffen. Wir haben uns auf diesem Weg bestimmt verändert, nicht nur äußerlich. Die Reise an sich hat sich verändert. Das erste Jahr war gefüllt mit Ländern, die durch ihren Unterschied zu dem von uns gewohnten glänzten, verzauberten aber auch schockierten. Je länger wir unterwegs sind, desto langsamer wird die Reise, bzw. desto länger bleiben wir in einem Land. Wo wir im ersten Reisejahr 13 Länder durchqueren, sind es im zweiten nur noch 5. Rückblickend wären wir wohl in jedem der Anfangsländer etwas länger geblieben, vor allem in Iran und in Nepal, aber so wachsen wir eben mit der Reise. Auch unsere Definition vom Reisen hat sich verändert. Da gibt es Urlaub machen, Reisen und noch Reisen. Oder sollte man das zweite Reisen vielleicht ersetzen durch „tägliches Leben bei dem man unterwegs ist“? Wir sind gut darin geworden neue Leute kennen zu lernen, uns in fremden Heimaten bald zu Hause zu fühlen und unserer Intuition zu vertrauen. Das ist bestimmt einer unserer Kernpunkte, denn wir versuchen das zu machen, was sich gut anfühlt, für beide. Glücklicherweise ist das meistens das Gleiche. Und wir schauen nicht mehr zu weit in die Zukunft- „going with the flow“ ist das Motto, neben „Einfach Sein“. Einfach mal sitzen und dem Wald zu hören, einfach mal nicht Tagebuch schreiben, wenn es sich nicht danach anfühlt. Alles geht unkomplizierter, wenn es nicht erzwungen ist. Heute Pläne für in ein paar Monaten machen – Aber wer weiß, was die Johanna und der Chris in ein paar Monaten brauchen? Natürlich geht das nicht in jeder Situation, aber vielleicht öfter als man denkt.
Bei vielen Leuten, die unvoreingenommen uns ihre Türen geöffnet haben, durften wir ein paar der inzwischen über 13000 Bilder zeigen. Von den Orten in denen wir bisher waren konnten wir ihnen nicht selten ganz neue Eindrücke in diese Länder gewähren. Natürlich sind das auch nur unsere Eindrücke und jeder, der dieses Land erkundet wird unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Aber eines haben alle Länder bisher gemein – mit der Einstellung mit der wir Menschen begegnen, wird auch uns begegnet. Ich würde nicht sagen, dass wir nur Glück hatten indem wir bisher fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht haben. Ich glaube eher, dass man das bekommt, mit dem man rechnet und unser Weg zeigt mir, dass die Welt und besonders die Menschen überall viel besser sind als gedacht. Die meisten Bilder in unseren Köpfen haben wir durch Nachrichten im Fernseher oder im Internet und eher nicht durch Dokumentationen. Die meisten Klickzahlen oder die besten Einschaltquoten bekommt man halt nicht dadurch, dass man die Leute in China zeigt, die für 400 km fremde Menschen einfach so mitnehmen, welche an der Straße stehen mit Daumen nach oben und sie dann zu sich nach Hause einladen. Die Geschichten sind immer komplex, es gibt kein gut und böse, so treffen wir im Iran auf junge und alte Menschen, die sich freuen, dass wir da sind und die etwas von der „Außenwelt“ erfahren möchten und in den USA werden wir mit Fragen durchlöchert, gerade zum Iran und die Menschen zeigen sich super interessiert. Und gerade in diesem Fall gibt es eine große Gemeinsamkeit – beide Länder werden regiert von Leuten, denen es anscheinend nicht um die Leute in ihrem Land geht sondern um ihre Macht.
So sammeln sich in zwei Jahren wirklich viele Geschichten, die oft irgendwo im Hinterstübchen abgespeichert sind und dann manchmal ganz unerwartet hervorkommen, so wie die Geschichte der Supermarktangestellten in Japan, bei der wir Schokolade probieren. Als wir weiter durch den Supermarkt laufen und unsere Einkäufe machen kommt sie suchend zu mir und steckt mir zwei Hände voll kleiner Schokoriegel in die Taschen. Und das in Japan, wo sie gerade gegen alle Regeln verstoßen hat 😀
Die unterschiedlichen Fortbewegungsmittel, die wir bisher genutzt haben (Zug, Bus, Trampen, Fahrrad, TukTuk, Auto) lassen uns die Länder und Menschen unterschiedlich kennenlernen. Zum Beispiel geht es mit dem trampen einfacher, Leute kennen zu lernen und direkten Kontakt zu ganz unterschiedlichen Personengruppen zu bekommen, allerdings kann es auch sehr anstrengend sein, gerade wenn das Konzept des Trampens nicht bekannt ist und man keine gemeinsame Sprache hat. Das Radl hat eine schöne Ausgewogenheit zwischen Geschwindigkeit und dennoch mit Menschen in Kontakt kommen, aber die Tage sind gefüllt damit in die Pedalen zu treten und am Ende des Tages ist man immer recht erschöpft. Das Auto und TukTuk baut eine Barriere zu den Menschen, dafür können wir fahren wohin wir wollen und stehen bleiben wo wir wollen. Beim radeln und trampen überlegt man es sich zweimal ob man einen Umweg von 200km fährt. So hat alles seine Vor- und Nachteile, das Auto frisst sich auf alle Fälle ziemlich ins Budget, soviel lässt sich sagen 😀 Aber gerade ist es das passende Mittel um von A nach B zu kommen und wir sind um unser namenloses Auto sehr dankbar, in dem wir uns gut eingelebt haben und schon einiges an Strecke zurück gelegt.
Jetzt sind wir in Prince George, die letzte große Stadt auf dem Weg ins Yukon Territory, dem hohen Norden. Die Mücken sind hier auf dem Festland schon wesentlich zielstrebiger als auf Vancouver Island. Die Insel haben wir nach einem Monat Aufenthalt verlassen. Wir haben in den letzten zwei Wochen schöne Wanderungen machen dürfen und dann bei Chris‘ Cousine eine ganze Woche verbracht, mit viel Familienzeit, die uns gut getan hat. In Vancouver haben wir unsere Fahrräder nach Deutschland geschickt, weil zu mindest ich keines mehr dort habe und mir der kleine Flitzer ans Herz gewachsen ist. Die Räder auseinander zu nehmen und in den knapp bemessenen Kartons unterzubringen hat aber einige Nerven strapaziert. Vancouver haben wir uns drei Tage angeschaut, Chris hats gut gefallen, wir haben ein paar nette Ecken entdeckt, aber mir war es zu viel. So gehts jetzt weiter in den Norden, wir sind gespannt was das dritte Reisejahr für uns bereit hält, aber eines haben wir sicher und zwar das Vertrauen darin, dass es gut werden wird.
Mit diesen Worten verabschiede ich mich und schicke Sonne und Freude zu jedem,
– Johanna