Höhen und Tiefen

Nach der Verabschiedung von unserer kanadischen Familie gewöhnen wir uns wieder an das Leben im Auto. Wir fahren nach Jasper und über den Icefield Parkway nach Banff. Der Highway führt uns über 230 km durch ein Tal mit beeindruckenden Landschaften und schneebedeckten Bergriesen mit teilweise 4000 Höhenmetern. Jetzt ist gerade Hochsaison für Skiurlaube, deshalb ist es recht touristisch in den Städten, wahrscheinlich aber kein Vergleich zum Sommer.

Nach einer Woche Autoleben dürfen wir dann einige Tage bei Sandis Schwester Sherry in Kelowna unterkommen. Die Beiden haben wir im September im Norden von BC kennen gelernt und jetzt lösen wir endlich unsere Einladung ein. Es tut gut die Abende wieder in einem Haus zu verbringen und nicht ab 17 Uhr in Decken gehüllt im kalten Auto zu sitzen. Zwar wird es wärmer je weiter wir in den Süden kommen, aber trotzdem hat es nachts Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Nach Sherry haben wir keine Pläne mehr. Anfang März werden Anna und Ilja, die wir in Thailand kennen gelernt haben, zu uns stoßen und zusammen wollen wir eine Zeit lang reisen. Außerdem wollen wir im März auch das Auto verkaufen, aber bis dahin müssen noch ein paar Wochen vergehen. Die Tage, die wir wartend verbringen aber gar nicht recht wissen worauf, findet man uns in einer Bibliothek in Squamish im Norden von Vancouver. Wir bemerken, dass wir Tag um Tag eigentlich immer mit den gleichen Leuten zusammen sitzen. Nach einem warmen Raum und Internet sehnen sich wie wir auch einige Obdachlose, irgendwie sind wir ja auch obdachlos. Aber dann auch wieder nicht, schließlich haben wir das Auto in das wir uns zurückziehen können, nachdem die Bibliothek schließt und Geld um uns Essen zu kaufen und wenn wir wollten, sogar ein Hotelzimmer leisten. Das haben sie alle nicht und an diesen Februartagen ist es draußen mit kaltem Dauerregen wirklich unangenehm.

Wir beschließen dann, uns wieder eine neue Freiwilligenarbeitsstelle zum überbrücken zu suchen. Nach fünf Tagen und einem spontanen Ausflug nach Kamloops, wo uns ein netter Couchsurfer sein Quartier anbietet, nehmen wir wieder die Fähre nach Vancouver Island. Vor 8 Monaten sind wir hier das letzte Mal gewesen, damals sind wir mit den Fahrrädern in Victoria angekommen.

Leider gestaltet sich dann die neue workaway Erfahrung schwieriger als gedacht. Wir wohnen bei einem älteren Pärchen, die zu zweit in einem riesigen Haus auf 2,5 Hektar Land wohnen. Es braucht keinen Detektiv um zu merken, dass die Frau Schwierigkeiten hat sich von Gegenständen zu lösen. Alles ist voll gestellt- es stapeln sich Schüsseln, Töpfe und Krims- Krams bis zur Decke. Über das Grundstück verteilt stehen kaputte Wohnwägen und Autos, die wiederum mit Sachen voll gestopft sind. Es braucht eine halbe Stunde um die Küche koch bereit zu machen. Das schönste an unserer Arbeit sind morgens und abends die langen Spaziergänge mit den drei Hündinnen, ansonsten waschen wir einen alten Wohnwagen, säubern den Hühnerstall, in dem seit dem letzten Sommer keine Hühner mehr gewohnt haben und kochen.

Am dritten Tag lernen wir dann Janice und Lauren kennen. Zwei Landschaftsgärtnerinnen, die vorbeigekommen sind um die Obstbäume zu beschneiden. Wir verstehen uns von Anfang an gut und dürfen zuschauen und lernen. Wir erfahren, dass sie für eine Non- Govermental- Organization(NGO) arbeiten, die im Cowichan Valley agiert um jedermann und -frau die Möglichkeit zu gutem Essen zu sichern. Halb im Scherz fragen wir nach, ob sie Freiwillige brauchen und tatsächlich können sie gut Leute für den öffentlichen Garten brauchen. Als sie uns von der NGO erzählen wird uns irgendwie bewusst, dass wir unsere Energie auch für andere, sinnvollere Projekte einsetzen könnten und bei unserem aktuellen workaway nicht viel lernen können. Am Abend haben Chris und ich dann ein langes Gespräch während wir mit den Hunden Gassi gehen, in dem wir beschließen unsere Arbeit hier zu beenden. Im guten trennen wir uns dann von unseren Gastgebern und treffen uns am Tag darauf, ein Samstag, mit Jan in einem Pub. Sie lädt uns ein bei ihr zu wohnen, bis wir wissen wie es weitergeht. Ich bin so dankbar, dass es so spontane und offenen Leute wie Jan gibt und dass wir über die Länge unserer Reise verteilt solchen tollen Menschen wieder und wieder über den Weg laufen.

Am Dienstag handelt Jan dann mit ihrer Chefin einen tollen Deal aus, der beinhaltet, dass wir bei Jan wohnen aber für die NGO im Garten für 4 Stunden täglich arbeiten und als Bezahlung Lebensmittel bekommen. Unsere Arbeit im Garten macht richtig Spaß. Die ersten zwei Tage sind wir mit dem Kompost und seinen vielen Regenwurm-Bewohnern. beschäftigt. Wir lernen einiges von Jan, die lange Jahre eine Farm hatte und daher viel Erfahrung, die sie bereitwillig mit uns teilt. Die Organisation sammelt von 5 Supermärkten im Cowichan Valley Lebensmittel ein, welche sonst weggeschmissen würden und verarbeitet dieses dann weiter. 95% gehen an Suppenküchen oder werden zu Mahlzeiten verarbeitet und an Senioren geliefert. An einem Morgen helfen wir das Essen zu sortieren. JEDEN Tag kommen 400 Kilogramm an Gemüse rein, von denen nur 5% auf den Kompost kommen, die sonstigen Lebensmittel können ohne weiteres gegessen werden. 400 Kilogramm täglich, die normalerweise weggeschmissen werden würden und das nur hier in einer kleinen Stadt – wie mag das erst in größeren Städten sein. Ich finde es unglaublich, dass es gleichzeitig viele hungrige Menschen auf der Welt gibt, die man auch in Kanada findet. Die Cowichan Green Community versucht dieses Verteilungsproblem lokal zu verbessern.

Zusammengefasst lebt es sich hier für uns sehr gut, wir werden mit reichlich frischem Gemüse versorgt und genießen die frühlingshaften Tage auf Vancouver Island.

Ganz liebe Grüße schickt euch

-Johanna

* und für alle die es interessiert, ein kurzes Video von einem Güterzug, die hier in Kanada mit beeindruckender Länge durch die schöne Landschaft ziehen. Das Originalvideo dauert über 4 Minuten.