Geschichten aus dem Alltag


Wie war dass eigentlich nochmal, damals irgendwo im Nirgendwo, an der Kreuzung wo wir gerade rausgelassen wurden? In dem Land wo wir die Schrift nicht lesen und die Menschen nicht verstehen konnten. Darum soll es hier gehen!

Diese Kategorie soll jeweils einen einzelnen Tag oder eine einzelne Situation ausführlicher beschreiben, als es ein regulärer Blogartikel könnte.

Ein Versuch den Alltag zu beschreiben, der keiner ist.


Tag 603: Share the Love

USA, 18. März 2019

Wir verquatschen uns beim Frühstück mit unserem Gastgeber Martin. Eigentlich wollten wir heute früher los, um dem Nordwind und der Hitze des Mittags zu entfliehen, aber so gehts. Erst um kurz nach 11 Uhr sind die Räder gepackt und wir schwingen uns auf die Sattel.

Es ist herrliches Wetter, stahlblauer Himmel, Kalifornien wie aus dem Reisekatalog. Wir folgen dem Highway 5 Richtung Norden meist auf kleineren Parallelstraßen oder auf Radwegen. Wie weit wir heute kommen wissen wir noch nicht wirklich. Alles hängt davon ab ob wir durch Camp Pendleton fahren oder nicht. Camp Pendleton ist eine der größten Militärbasen der USA mit bis zu 100.000 aktiven Soldaten die hier täglich trainieren.
Wir haben widersprüchliche Aussagen gehört, ob es möglich ist mit dem Fahrrad durch die Basis zu fahren oder nicht. Einige meinen ja, man kann einfach entlang des Highways auf dem Seitenstreifen fahren und wenn die Polizei einen anhält, können sie dich eh nur anweisen den Highway bei der nächsten Ausfahrt zu verlassen, was wir ja eh getan hätten. Andere sagen, es sei verboten oder zu gefährlich. Wieder andere sagen, nur US-Amerikaner dürfen durch die Basis. Wir wollen uns selber ein Bild davon machen und die Anwohner in Oceanside (Südtor der Basis) fragen, die werden es schon wissen.
Die eindeutige Botschaft der Einwohner ist: vielleicht. Nicht schlauer als vorher entscheiden wir uns für den Zug. Die Aussicht 32km entlang der lärmenden Autobahn zu radeln erscheint auch nicht allzu reizvoll.

Es ist Nachmittag, die Magen knurren und Johanna geht etwas zu Essen einkaufen während ich draußen auf die Räder aufpasse. Ich sitze auf einer niedrigen Mauer vor dem Supermarkt, die Räder lehnen neben mir an. Eine junge Frau winkt mir beim vorbei fahren zu, ich winke zurück und denke mir nicht viel dabei. Sie hält auf einem Parkplatz in der Nähe und räumt in ihrem Kleinwagen herum. Dann kommt sie auf mich zu.

„Ich würde dir gern‘ all das hier mit auf die Reise geben“ sagt sie und hebt den kleinen Stapel von Lebensmittel, den sie zwischen ihren Händen hält, hoch. „würdest du es akzeptieren?“ fragt sie weiter ohne dass ich so recht weiß wie mir geschieht. Natürlich nehme ich es gerne an und bedanke mich recht herzlich. In drei Sätzen erkläre ich das wir schon lange reisen und jetzt von Mexiko bis nach Kanada mit dem Fahrrad unterwegs sind. „Kann ich dich umarmen?“ fragt sie und ich nicke. „share the love“ sagt sie noch, ehe sie sich umdreht, ins Auto steigt, nochmal winkt und wegfährt.
Alles ging so schnell – als hätte ich geträumt. Ich hätte gerne noch mit ihr gesprochen oder ihr wenigstens eine kleine Visitenkarte unseres Blogs gegeben oder ihren Namen erfahren. Immer noch überwältigt setze ich mich wieder auf das Mäuerchen, als Johanna aus dem Laden kommt. Ich erzähle ihr wie ich zu dem Essen gekommen bin und wir freuen uns über die Herzlichkeit und natürlich auch über die Blaubeermuffins.

Mit dem Zug geht es dann durch die Militärbasis. In San Clemente (Nordtor der Basis) steigen wir aus und treten nochmal für einige Kilometer in die Pedale. Obwohl wir heute nicht viel gefahren sind reicht es uns schon bald und wir suchen nach einem geeigneten Lagerplatz für die Nacht. In einem Park in Dana‘s Point werden wir fündig. Wir kochen ein indischen Biryani Reis mit Tofu und warten auf den Einbruch der Nacht. Einige Hasen hoppeln gemütlich herum. Nebenan spielt eine Coverband Livemusik aus den 90ern und 00er Jahren.

Als es dann dunkel wird bauen wir das Zelt auf, der Platz zwischen den Büschen reicht gerade so für die 4m² Grundfläche aus. Wenige Minuten später ist alles einräumt und wir werden praktisch unsichtbar. Einige Leute gehen Abends nur ein paar Schritte von uns entfernt entlang, wir können sie beobachten und ihren Gesprächen folgen aber keiner bemerkt uns. Wie oft wir wohl schon durch Büsche beobachtet wurden, ohne dass wir es gemerkt haben, fragen wir uns. Die Band nebenan hat inzwischen aufgehört zu spielen und es wird ruhig. Schlafenszeit

– Chris