N-M Teil V: Von Pannen und Wiedersehen

Das letzte Puzzelteil um das Band um die nördliche Hemisphäre zu schließen. Wir wandern/radln 1400 km vom Mittelmeer nach München, zurück dorthin wo alles begann.

Teil V: von Lindau am Bodensee, Deutschland (~975 km) bis München

Grenzübertritte

Am 31.August radeln wir den Schweizer Teil des Bodensees entlang. Endlich hat die Regenperiode ein Ende- nach drei Tagen Dauerregen haben wir durchweichte Füße und Hände satt! Jetzt kommt aber die Sonne raus und wir geben unsere letzten Schweizer Franken in einem Lidl für ein Frühstück aus, das wir vor dem Laden sitzend einnehmen, während unsere Sachen in der Sonne trocknen.

Und dann heißt es- Tschüss Schweiz. „Willkommen in Österreich“ begrüßt uns ein Schild, allerdings bleiben wir nur für 18 Kilometer in Österreich. Sympathisch aber auch etwas arrogant steht dann an der deutschen Grenze nicht etwa ein „Willkommen in Deutschland“ Schild sonder „Freistaat Bayern“. Wir sind zurück. In dem Land, das wir vor genau 1500 Tagen verlassen haben um in die Welt hinauszuziehen. Da kommt eine große Portion Freude auf, aber auch andere Gefühle mischen sich mitunter. Während wir durch die Stadt Lindau schlendern kommen bei mir immer wieder Wellen von Emotionen hoch, in denen ich weinen möchte. Plötzlich wirkt Kanada so fern und mein Verstand realisiert, dass dieses Reisekapitel zu Ende geht. Obwohl Chris und ich das so eigentlich nicht definieren möchten. Die Reise geht in ein neues Kapitel, nicht mehr und nicht weniger.

In Lindau waren wir vor vielen Jahren schon einmal, somit ist das die erste bekannte Stadt, mit der wir quasi schon eine Geschichte haben – an die es schon Erinnerungen gibt.

Am nächsten Tag rufe ich im Bürgerbüro von Lindau an um zu fragen ob wir uns dort in Deutschland anmelden können. Das müssen wir machen, damit wir uns hier krankenversichern können, denn unsere Reisekrankenversicherung gilt nicht im Heimatland. Meine Anfrage wird barsch und unmissverständlich abgewiesen- wir müssen uns an dem Ort anmelden, an dem wir auch unseren Wohnsitz haben werden. Na gut, dann sind wir die nächsten Wochen halt ohne Versicherung unterwegs – sollen andere Leute vor uns schon überlebt haben.

Pannen

Ab jetzt geht es durchs Allgäu. Es geht auf und ab vom Bodensee weg, mit unseren drei Gängen sind die Hügel mit Apfelbaumplantagen ziemlich anstrengend zu erklimmen. Nach 15 Kilometern machen wir an einem kleinen Dorfladen rast und frühstücken. Plötzlich tut es einen riesigen Knall und Chris` Fahrrad fällt um. Der Schlauch ist explodiert! Was für ein Glück, dass das nicht während der Fahrt passiert ist. (So viel zur Krankenversicherung).

Den restlichen Tag verbringt Chris damit, erst den Schlauch zu reparieren, dann zu realisieren, dass das Problem die Felge ist, die einen Achter hat. Wir glauben schon unsere Radtour hier abbrechen zu müssen, weil die Fahrradläden in der Umgebung kein Ersatzlaufrad für ein so altes Fahrrad haben. Doch gegen Abend fällt Chris ein, dass er ja selbst mal versuchen kann den Achter zu reparieren, also zieht er in Kleinstarbeit jede Speiche nach, bis das Rad wieder rund läuft und der Mantel samt Ersatzschlauch festsitzt. Top. Es kann weitergehen. Interessant an diesem Tag war, dass die Leute die vorbeigekommen sind und uns gesehen haben zwar interessiert aber recht distanziert wirkten – sehr anders als wir zum Beispiel die Menschen in der Schweiz erlebt haben.

Am nächsten Tag gegen Mittag springt meine Kette raus, nicht weiter schlimm, ich bin ja seit den USA geübt darin wieder Ketten einzusetzen ohne mir die Hände schmutzig zu machen. Allerdings fällt mir auf, dass die Kassette (die Zahnräder auf denen die Kette am Hinterrad sitzt) abgebrochen ist. Ehm. Das stellt dann doch eher ein größeres Problem dar. Der nächste Fahrradladenbesitzer erweist sich als äußerst hilfsbereit, aber meint ebenfalls, dass es keine Ersatzteile für ein so altes Rad gibt. Chris schlägt vor, die Kassette einfach an das Hinterrad dranzuschweißen. Das empfindet auch der Ladenbestizer als eine spannende Idee und nimmt sogleich das Hinterrad und läuft über die Straße zur Landmaschinenwerkstatt, die gegen die Bezahlung eines Kasten Biers den Job gerne machen. Willkommen in Bayern.

So fahre ich die letzte Strecke nach Mittenwald mit einem sogenannten „Fixie“. Fixie deshalb, weil nun die Kassette fest am Hinterrad dran ist, das heißt, der Leerlauf funktioniert nicht und die Pedalen drehen sich immer, auch beim bergabfahren.

Wiedersehen

Zwei Tage später treffen wir in Murnau meine Mama und meinen Bruder, die uns bis nach Mittenwald mit den Rädern begleiten. Kurz vor Murnau bricht meine Kassette wieder ab- glücklicherweise kann ich auf ein Ersatzrad von meiner Mutter umsteigen um das letzte Stück doch noch zurückzulegen. Tagsdrauf kommt noch mein Papa mit Partnerin dazu und werden Chris und mein Radl mit nach München nehmen, weil wir die letzten 120 Kilometer zu Fuß zurücklegen möchten. Es ist ein so schönes Gefühl alle wiederzusehen, es fehlen die passenden Worte dafür.

Für die letzten Kilometer brauchen wir dann doch nur sechs Tage. Wir folgen dem Fluss „Isar“, die uns bis nach München bringt. Wir finden immer schöne Plätze zum zelten und meine Füße machen mit, zwar mehr schlecht als recht aber es ist ja nicht mehr weit. In Mittenwald und dem Tag danach treffen wir auf äußerst unfreundliche Menschen- die beste Aussage kommt von einer Wirtin, die gerade aus dem geschlossenen Restaurant kommt und wir nach Trinkwasser fragen: „Nein, ich hab hier kein Wasser- auf der anderen Seite des Flusses gibts eine Quelle wo ihr Wasser findet!“. Komisch, denken wir, wie spült die denn ihr Geschirr ohne Wasser? Aber dieser Frage gehen wir nicht weiter nach sondern legen lieber Kilometer zurück.

Es häufen sich Orte, an denen wir schon einmal waren. Die letzte Nacht schlafen wir in einem Wald von einem Vorort von München, hier waren wir manchmal Eis essen. Die letzten 10 Kilometer laufen sich ganz von selbst. Hier die Brücke, an der wir vor Jahren ein Schloss mit unseren Initialen aufgehängt haben (und es hängt immer noch dort), jetzt der Wald durch den wir so oft geradelt, gejoggt oder spaziert sind. Dann laufen wir durch die Unterführung, die oft der Start von Träumen von daheim waren. Ich habe so häufig von dem Moment geträumt, an dem wir wieder zuhause ankommen, es waren gute wie schlechte Träume dabei. Jetzt fühlt es sich unwirklich an, wieder in der Siedlung zu stehen in der ich aufgewachsen bin. Wir kommen uns vor wie Außerirdische – wir sehen keine bekannten Gesichter, doch sehen die Gebäude und Straßen gleich aus. Bloß die Bäume sind gewachsen, so wie unser Erfahrungsschatz.

An der Tür erwartet uns meine Mama und ihr Partner, die Wohnung hat sich verändert, Sachen sind umgestellt, irgendwie kommt uns alles kleiner vor als in unserer Erinnerung. Es ist so faszinierend hier zu sein. WIEDER hier zu sein. So oft daran gedacht, so viele Jahre nicht gesehen und jetzt stehen wir hier.

Morgen kommt meine ganze Familie zusammen zum brunchen und die nächsten Wochen werden wahrscheinlich voll sein mit Wiedersehen, aber davon erzählen wir im nächsten Blogeintrag.

Ich schicke liebste Grüße aus München in die Welt

-Johanna