Ich versteh nur chinesisch

Hallo Nah und Fern,

im Folgenden erzählen wir euch von unseren letzten Tagen, mit den Schwierigkeiten und schönen Dingen, die uns passiert sind.

Wir stehen an der Straße, die Daumen draußen mit Schild in der Hand. Es ist bereits 17 Uhr und bald kommt eine Gruppe interessierter Mädels, die erst Fotos mit uns machen wollen. Die ganze folgende Konversation findet per Übersetzungs-App statt. Diese Situation hatten wir jetzt schon häufiger, mit kleinen Unterschieden:

Sie: „Wo wollt ihr hin“
Ich: „Wir wollen nach Baise“
Sie: „Heute fährt kein Bus mehr nach Baise.“
Ich: „Kein Bus und kein Taxi. Wir halten private Autos an, die uns kostenlos mitnehmen.“

(Ein Auto nach dem anderen fährt an uns vorbei während wir einen Fotopause einlegen und mit diversen „Helfern“ abgelichtet werden.)

Sie: „Hier fahren keine privaten Autos. Morgen fährt der Bus.“
Ich: „Nein, wir fahren nicht mit dem Bus. Wir stoppen Autos, die uns mitnehmen wollen.“
Sie: „Heute fahren keine Taxis mehr.“
Ich: „Kein Bus, kein Taxi. Ein Auto, das nach Baise fährt und Platz hat, wird uns kostenlos mitnehmen. Es funktioniert, wir reisen schon seit vielen tausend Kilometern auf diese Weise.“
Sie: „Morgen fährt ein Bus nach Baise. Jetzt ist es schon zu spät, morgen gibt es auch wieder Taxis.“
Ich: „Wir stoppen private Autos, wo private Personen drinnen sitzen, die uns kostenlos mitnehmen wollen.“
Sie: „Hier fahren aber keine Autos.“
Ich: „Hier wird auch ein Auto kommen, wir reisen so seit 11 Monaten. Manchmal dauert es lange, manchmal geht es schnell. Nur wenige Kilometer bringen uns schon etwas“
Sie: „Ihr müsst jetzt ins Hotel gehen, heute fahren keine Autos mehr.“
Ich: „Wir versuchen es noch. Wenn kein Auto hält, gehen wir ins Hotel.“

So geht es noch etwas weiter, Chris hält, während ich mich versuche zu erklären, weiterhin Autos an. Irgendwann hält dann doch jemand an und holt uns aus der Menschentraube raus.

Es ist eine Geduldsprobe und irgendwann im Leben werde ich darüber bestimmt sehr froh sein. Ich bin auch schon recht gut geworden, innerlich nicht auszuflippen bei solchen Erklärungsversuchen, die leider jedes Mal gleich ablaufen. Irgendwo auf der „Google Translate“ Übersetzung gibt es Fehler, allerdings ist hier auch einfach das Prinzip vom Trampen nicht bekannt.
Währenddessen stellen sich vorbeilaufende Menschen neben mich und posieren, während sie von einer dritten Person Fotos schießen lassen, ohne je ein Wort mit mir gewechselt zu haben. So kommen Chris und ich mir vor, wie Tiere im Zoo. Überall werden Fotos von uns gemacht, meistens ohne uns davor zu fragen.

Wir warten an einer Busstation einige Minuten, um dann festzustellen, dass die Busse dort nicht halten. Hilfesuchend gehen wir auf einen Security-Mann mit Handy in der Hand zu, fragen nach „Bus“ und zeigen auf einen. Der antwortet lachend „Bus, Bus“ und beginnt Fotos von uns zu machen. Genervt drehen wir uns ab und gehen weg, er kommt dennoch hinterher und macht weiter Fotos. Dann müssen wir doch lachen, über so viel Dreistigkeit. Die richtige Busstation finden wir auch.

Das Trampen ermöglicht uns aber auch unvergessliche Erlebnisse. Eine ewige Abwechslung von Hoch und Tief. Wir werden zum Beispiel von Chan zum Haus seiner Eltern eingeladen. Die betreiben eine Fischzucht und haben ein schwimmendes Haus. Eine Nacht schlafen wir dort. Die nächste Nacht gehen wir im Zelt fast ein, es ist abends noch immer wahnsinnig feucht-heiß, dann setzt Regen ein, somit müssen wir ins Zelt, aber Wind weht keiner, so saunieren wir die ganze Nacht im Zelt.

Am nächsten Tag nimmt uns Lui und sein Freund mit. Doch als wir rechtzeitig ankündigen die nächste Abfahrt raus gelassen werden zu wollen, fährt Lui dann doch daran vorbei, es seien ja bloß 200 Kilometer Umweg – wir sind beide etwas irritiert, aber auf der Autobahn auszusteigen oder umzukehren geht halt nicht, so lassen wir einfach auf uns zukommen was passieren wird. Lui führt uns in ein schickes Hotel, wo wir uns mit zerzausten Haaren und dreckigen Rücksäcken nicht nur ziemlich fehl am Platz fühlen, sondern es auch etwa das zehnfache unseres Hotelbudgets kostet. Er zahlt lässig mit seinem Smartphone, lacht, meint wir sollen uns keine Sorgen machen und läd uns obendrei noch zum Abendessen ein.

So kompliziert einige Chinesen, die wir bisher kennen gelernt haben, im Bezug aufs Trampen oder Fotografieren sind, so unkompliziert sind sie beim Verabschieden oder Bedanken. Das fällt meist recht knapp, ohne viel Tam Tam, aus und geht schnell von statten, irgendwie angenehm.

– Johanna & Chris