„Don’t break your mind“

Mit dem Nachtzug sind wir 12 angenehme Stunden von Delhi nach Varanasi gefahren. Eine der sieben heiligen Städte in Indien, 5000 Jahre alt. Hier werden die Toten verbrannt und die Asche dem Ganges übergeben, der trotz allem relativ sauber für indische Verhältnisse ist. Ob wir dennoch drin baden ist fraglich.

Bloß Schwangere, kleine Kinder, von einer Kobra gebissene Menschen, Leprakranke und Sadhus werden an einen Stein gebunden und dem Ganges unverbrannt übergeben, da sie nicht mehr vom Feuer gereinigt werden müssen. Wer in Varanasi verbrannt wird durchbricht den Kreislauf von Leben und Tod und muss nicht mehr in diese Welt zurück kehren, laut dem Glauben der Hindus. Es ist eine sehr stimmungsvolle Stadt. Lange schauen wir den Verbrennungszeremonien zu, wie die Toten in Tücher gewickelt zum Ganges getragen und dort gewaschen werden, nebenbei wird ein Scheiterhaufen errichtet, auf dem der Leichnam gebettet wird, anschließend werden ihm Öle und Pulver zugegeben und vom Ehemann oder Sohn mit dem ewigen Feuer angezündet. Keiner weint, der Tod ist ein Teil des Lebens. Viele sehen zu, Kühe und Hunde liegen herum.

Varanasi ist abseits des Ganges wahnsinnig geschäftig und es gibt ewig viel Verkehr, grade in den engen Gassen bläst es einem fast das Gehör weg, wenn die Motorradfahrer wie verrückt hupen, obwohl kein Hindernis in Sicht ist… manchmal würd ich sie am liebsten vom Motorrad schubsen.
Auf den Hauptstraßen gibt es hier mit Abstand, soweit wir das mit anderen bis jetzt besuchten Städten vergleichen, die meisten bettelnden Kinder und Erwachsene, alte Menschen, die zum sterben hier her kommen und Menschen denen Gliedmaßen fehlen. Wir versuchen vielen etwas zu geben, versuchen immer ein bisschen Kleingeld dabei zu haben, was oft aber nicht klappt. Gibt man jemanden etwas, sind sie manchmal sehr dankbar, egal wie wenige Rupies es sind – oder es gibt welche die sehr penetrant mehr Geld verlangen. Ein gutes Gefühl gibt weder Geben noch Nicht-Geben, gebe ich etwas, so scheint es dennoch nicht genug, könnten wir uns nicht mehr einschränken – wir würden es am Ende der Reise nicht mal bemerken, jeden Tag ein paar Euro zu geben. Wenn jemand auf dem Land mit 10€ Verdienst im Monat auskommt und in der Stadt mit 400€, dann scheint unsere Reise mit einem Monatsbudget mit dem gleichen Geld ziemlich luxuriös…
Wieweit will ich mich aber einschränken und auf Konsum verzichten? Laut Gandhi sollte es eher eine Frage des maximalen Verzichts sein, damit diese Welt eine fairere und gerechtere wird! Irgendwie schleicht sich dann aber doch der Egoismus ein und verlangt, nur einen Bruchteil zu Geben, von dem was Möglich wäre.

Wir hören aber auch Geschichten von Kindern, die geklaut werden, vielleicht sogar verstümmelt, um dann zum betteln geschickt zu werden. Deswegen kaufen wir Kindern nur etwas zu Essen, aber wenn ich fünf Kindern etwas gekauft habe, mache ich den Schlussstrich beim sechsten… sehr willkürlich. Jedes Kind sollte doch mit einem vollen Magen ins Bett gehen dürfen.  „Don’t break your mind“ hat uns Sanaka in Sri Lanka, als Tipp, mit auf unsere Reise gegeben. Das kommt mir zur Zeit oft in den Sinn. Wir wollen kein organisiertes Betteln unterstützen, aber am liebsten niemanden benachteiligen…
Wir sind uns unserer Privilegien durch das, was wir hier sehen, wesentlich bewusster als zuvor und können und versuchen, alles Materielles und Nicht-Materielles mehr wertzuschätzen…

Indien ist aber auch wunderschön, die ganzen Farben, nette Menschen, bei denen wir couchsurfen und uns mit in ihre Welt nehmen. Das Essen ist sehr gut, tatsächlich hatte nur ich einen magentechnisch sehr problematischen Tag, ansonsten sind wir wohl gut gewappnet 😉 Wir genießen es zu beobachten, sitzen manchmal mit einem Tee an der Straße und schauen dem Treiben zu – das kann man hier hervorragend machen.

Hier noch eine lustige Situation zum Schluss:
Wir laufen mit unseren Rucksäcken bepackt durch eine Straße in Delhi, ein Tuktuk-Fahrer kommt.
Tuktuk-Fahrer:“ You need a Rickshaw, Sir“
Chris:“No, we want to walk“
Tuktuk-Fahrer:“12 Kilometer? Thats too far – Where do you want to go?“

In diesem Sinne, liebe Grüße aus Varanasi

-Johanna