Winter Geschichten

Eines Tages, Anfang Februar. Ich liege noch dick eingepackt unter drei Decken im Bett und lese, da höre ich Nick im Wohnzimmer rufen „wir haben kein Wasser mehr!“. Wahrscheinlich wieder einmal Stromausfall, also nicht weiter schlimm. Kurz darauf realisiere ich das die Heizung neben mir läuft, Strom kann also doch nicht das Problem sein. Ich schäle mich langsam aus dem Bett und mache mich fertig für den Tag.
Es ist ein wunderbarer Tag, der Schnee funkelt unter der strahlenden Sonne und keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Das Thermometer auf dem Vorderdeck zeigt -35°C. Dick eingepackt gehen Francesco, Nick und ich runter zum Brunnen um zu sehen wo es klemmt.

Nick’s Vermutung hat sich bestätigt, ein Kontrollventil ist eingefroren, die Pumpe arbeitet sich kaputt ohne dabei Wasser zu pumpen. Schnell improvisiert basteln wir eine Styroporbox um die Pumpe herum und richten eine Wärmelampe auf die eingefrorenen Schalter und Ventile. Uns allen ist schnell wirklich kalt und wir belassen es erst mal dabei. Unsere Konstruktion zeigt nach einer halben Stunde auch den gewünschten Effekt und wir haben wieder fließend Wasser.

Etwas später am gleichen Tag. Der Starter des Familienautos dreht sich nicht, kein Geräusch kommt aus dem Motorraum als sich der Schlüssel dreht. »beyond dead«. Nach einer halben Stunde Ölheizung, Autobatterie laden und Starterspray klappt es dann. Eine Szene wie sie jeden Tag wechselweise an einem der Fahrzeuge des Fuhrparks genau so passiert.

Es sind diese Momente die das Leben hier, meiner Meinung nach, besonders machen. So unangenehm und nervtötend wie es in der Situation auch sein mag. Die Umgebung zwingt einen zum handeln, zwingt einen rauszugehen, zwingt einen dazu das Problem zu lösen. Es ist meist keine Option den Automobilclub oder den Klempner anzurufen wenn etwas nicht funktioniert, dafür helfen sich aber die Nachbarn gegenseitig aus.


Der Alltag in der sehr kalten Jahreszeit kann manchmal etwas monoton sein. Zwei Schubkarrenladungen Brennholz müssen jeden Tag aus dem Schuppen geholt werden und bei Neuschnee die Auffahrt geräumt werden. Viel mehr machen wir nicht draußen. „cabin fever“ (Hüttenfieber) sagt man hier dazu, frei übersetzt in etwa so was wie handlungsunfähig in der Wildnis eingesperrt zu sein.

Gut wenn man dann einige Renovierungsarbeiten im Haus für den Winter aufgespart hat. Johanna und ich genießen es dabei sehr, dass Nick und Kaitlyn soviel Vertrauen in uns setzen und wir alles alleine machen dürfen. Meist geben sie uns eine grobe Vorgabe wie alles am Ende aussehen soll und überlassen uns dann den Rest. Diesmal haben wir eines der Schlafzimmer im Keller, welches bislang eine große Abstellkammer war, komplett renoviert.

Seit Anfang März ist es stetig wärmer geworden. Wenn der Schnee schmilzt, beginnt hier die „mud season“ (Schlamm-Jahreszeit). Die Straße verwandelt sich dann von einer perfekt ebenen, kompakten Schneestraße, wo jedes Schlagloch gleichmäßig gefüllt ist, zu einem Schlammbad wo man ohne Allradantrieb auch mal stecken bleiben kann.
Wenn die Schneedecke schmilzt bleibt im Schatten des Hauses für einige Wochen eine dicke Eisschicht, auf der sich ein Teich von Schmelzwasser bildet, übrig. Täglich bin ich damit beschäftigt mit Rohren, Brettern, Steinen und Schlammdämmen das Wasser daran zu hindern in den Keller zu laufen. Bislang erfolgreich!

Ein weiteres Projekt das mir besonders viel Freude bereitet ist der alte 1985 F-250 4.9L Farmtruck, liebevoll auch „the beast“ (die Bestie) genannt. Nachdem Nick ihn Ende letzter Saison gegen einen Baumstumpf gesetzt hat und dabei die Lenkung kaputt gegangen ist, stand er den Winter über eingeschneit hinterm Haus. Als der Truck dann, dank Francesco, der tagelang per Hand einen Weg durch den Schnee gebahnt hat, wieder zugänglich war, habe ich mich ans tüfteln gemacht. Durch die Kraft des Aufpralls ist ein Gewinde im Lenkgetriebe gebrochen. Nach einem Tausch der Servolenk-Pumpe und des Lenkgetriebes läuft nun alles wieder wie es soll.

Mitte April wird es dann für uns weitergehen. Richtung Europa. Wie genau, wissen wir noch nicht… Planen bringt ja derzeit auch nicht viel, die Regeln ändern sich ja alle paar Tage.

Wir halten euch auf dem laufenden, liebe Grüße aus Kanada

– Chris