N-M Teil II: Es geht auf und ab

Das letzte Puzzelteil um das Band um die nördliche Hemisphäre zu schließen. Wir wandern 1400 km vom Mittelmeer nach München, zurück dorthin wo alles begann.

Teil II: von Auron (~110 km) bis Prolagnan-la-Vanoise (320 km)

Endlich mal ein Pausetag. 13 Tage sind wir nun durchgewandert, haben inzwischen etwa 320 km in unseren Wadeln aber jetzt merken wir beide, dass wir ausgelaugt sind.
Chris‘ Fuß war glücklicherweise nach einem Ruhetag wieder bereit die Wanderung fortzusetzen, zwar mit Bandage und für ihn wenig Gepäck aber es ging weiter.

Bei mir stellen sich kurz danach Tage der Frustration ein. Jeden Tag geht es erst bergauf, dann bergab, es geht weiter mit bergauf, bergab, bergauf, bergab. Wir hatten uns wenig auf diese Wanderung vorbereitet, oft ist es schön ohne Erwartungen an eine Sache heranzugehen aber mich frustriert es, dass die hart „erkämpften“ Höhenmeter gleich wieder abgestiegen werden nur um sie an der anderen Seite wieder zu erklimmen. Jeden Tag! In diesen Tagen lerne ich, dass das Gewicht auf dem Rücken tatsächlich der geringere Teil ist. Das „Gedankengewicht“ ist, was die Leichtigkeit für mich aus macht. Zu lernen, das zu beeinflussen ist wohl das Tor zu Unbesiegbarkeit.

Nach ein paar Tagen lichtet sich aber die Wolke über meinem Gemüt, es geht weiter bergauf und dann bergab, aber ich versuche die wenigen Kilometer die es mal eben ist besonders zu genießen. Wir bestaunen schroffe Berghänge und idyllische Almwiesen, manchmal sehen wir Schafherden mit Hirten über die Hänge ziehen – ich hatte gedacht, dass es so etwas nur noch in Bilderbüchern gibt. Immer wieder tauchen kleine Zeichen aus unserer kanadischen Heimat auf: dort wächst „fireweed“, die Wappenpflanze des Yukons, hier sehen wir Büsche von „bear berrys“ und dann laufen wir durch ein Tal mit einem rauschenden, klaren Gebirgsbach, die Sonne scheint auf die Nadelbäume und wir fühlen uns als würden wir auf dem Rückweg einer Wanderung sein und am Ende des Weges wartet unser Auto „Hermione“.

Wir genießen diese kleinen Erinnerungen, aber es kommt keine Melancholie auf. Wir freuen uns auf das was vor uns liegt, malen uns das Heimkommen aus und was danach kommt, oft schweifen unsere Gedanken auch zurück zu anderen Abschnitten dieser Reise – Geschichten aus China, Essen in Indien und zu eingelegten russischen Tomaten. So divers sind auch unsere Gesprächsthemen. Sie reichen von „Was würdest du in welchem Land anders machen und was würdest du genauso wieder machen?“ zu „ Wie würde die Welt aussehen, wenn Menschen so springen könnten wie Heuschrecken?“. Bei letzterem setzte dann irgendwann unsere Kreativität aus.

Wir genießen die intensive Zeit in der Natur sehr, seit drei Wochen schlafen wir ausschließlich im Zelt, waschen uns in eiskalten Gebirgsbächen und nutzen die Zivilisation nur um Essen einzukaufen. Solange es so warm ist und die Sonne oft scheint geht das alles auch ohne große Mühen.
Jetzt haben wir schon über die Hälfte des Weges zum Genfer See zurückgelegt. Es ist toll jeden Abend auf die Karte zu schauen und zu sehen, dass wir immer weiter kommen. Schritt für Schritt.

Heute, an unserem Pausetag, laden wir mal wieder alle Geräte voll und gönnen unseren Beinen Ruhe, die sie dringend brauchen. Vielleicht scheint morgen auch wieder die Sonne, denn heute regnet es nur. Wir haben uns entschieden eine kleine Abkürzung zu nehmen und den GR 55 durch den Vanoise Nationalpark zu nehmen und dann weiter nördlich wieder auf den GR 5 zu stoßen.

Deshalb aus Pralognan-la-Vanoise, liebste Grüße

– Johanna